Markus Piringer im Interview
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Kreislaufwirtschaft im Fokus – ein Interview mit Markus Piringer

15.01.2024

Bei unserer Recherche nach praxisorientierten Empfehlungen im Bereich der Kreislaufwirtschaft, insbesondere zum Thema Reparatur, stießen wir immer wieder auf einen Namen: Markus Piringer. Wir sind ihm sehr dankbar, dass er unserer Einladung zu einem Interview nachgekommen ist und wir Ihnen daher einige Denkanstöße zum Thema Reparatur für Ihr Unternehmen anbieten können.

Über Markus Piringer
Markus Piringer ist seit 1996 im Bereich Umweltschutz aktiv und bringt umfangreiche Erfahrungen aus verschiedenen Institutionen mit. Er war unter anderem Geschäftsführer des ÖKOBÜROs, einer Koordinationsstelle österreichischer Umweltorganisationen. Danach leitete er DIE UMWELTBERATUNG und ist seit 2019 ebendort Projektleiter im Bereich „Kreislaufwirtschaft“ bzw. Koordinator für das Reparaturnetzwerk Wien. Er studierte technische Chemie an der TU Wien und Sozialarbeit an der Fachhochschule FH Campus Wien.

wirtschaft.at: Für welche Unternehmen ist das Thema „Reparatur“ von vorhandenen Ressourcen besonders wichtig?
Markus Piringer: Reparatur kann in jedem Betrieb eine Rolle spielen, besonders in produzierenden Betrieben mit teuren Maschinen. Ein wichtiger Punkt ist der Kauf langlebiger Produkte und deren Reparatur – das bedeutet auch, dass Ersatzteile lange verfügbar sein müssen.

In den USA ist der wirtschaftliche Aspekt ein wichtiger Treiber für ein „Recht auf Reparatur“. Es geht darum, dass Unternehmen wie Krankenhäuser oder auch große landwirtschaftliche Unternehmen darauf pochen, dass Sie Ersatzteile und Reparaturmöglichkeiten für Ihre High Tech Geräte und Maschinen zu angemessenen Preisen zur Verfügung gestellt bekommen. Oft liegen diese Möglichkeiten in der Hand von nur einem Hersteller, der dann auch den Reparaturmarkt dominiert und keine Möglichkeit für alternative Reparaturanbieter lässt. Das Recht auf Reparatur wird in Europa eigentlich sehr stark aus der Privatkonsumperspektive betrachtet.

Bei Unternehmen, die hauptsächlich mit kleineren elektronischen Geräten wie Laptops oder Smartphones arbeiten, gibt es aber ebenfalls viele Vorteile, wenn man nachhaltig denkt. Oft würde z.B. für Laptops der Austausch des Arbeitsspeichers, der Festplatte oder Akkus ausreichen, um das Gerät wieder fit zu machen. Für Unternehmerinnen und Unternehmer ist die Gerätewahl diesbezüglich aber nicht immer leicht, denn als Laie erkennt man nicht immer, welche Produkte diese Möglichkeit bieten.

Es gibt Studien aus dem Privat-Haushaltsbereich, die zeigen, dass die Nutzung und Reparatur langlebiger Elektrogeräte über einen Zeitraum von 10 Jahren bis zu 2000 € sparen kann. Dies unterstreicht den finanziellen Nutzen, der mit der Anschaffung qualitativ hochwertiger, langlebiger Produkte verbunden ist. Wenn in Europa alle Konsumentinnen und Konsumenten ihre Laptops, Handys, Staubsauger und Waschmaschinen jeweils nur um ein Jahr länger nutzen würden, könnten 4 Millionen Tonnen CO 2 eingespart werden. Das ist so viel wie 2 Millionen Autos weniger auf Europas Straßen. Und das nur in einem Jahr und nur in diesen vier Produktgruppen. Man sieht also, welches Potential der Bereich Reparatur hat.
Übrigens gibt es auch Indizes, wie den von iFixit, der die Reparierbarkeit von Geräten bewerten. Es ist jedoch oft schwer, die Langlebigkeit eines Produkts sofort zu erkennen.

wirtschaft.at: Wie können KMUs in diesem Bereich bewusster werden?
Markus Piringer: Es gibt verschiedene Angebote und Seminare, wie die von Öko Business Wien, die Wissen über Kreislaufwirtschaft vermitteln. Unser Reparaturnetzwerk Wien bietet auch Informationsmaterialien an, um die Vorteile von Reparaturen zu veranschaulichen.
Das Climate Lab bietet Unternehmen ebenfalls die Möglichkeit, Mitglied zu werden und an verschiedenen Veranstaltungen teilzunehmen. Dies eröffnet Betrieben einen praktischen Zugang zum Thema Kreislaufwirtschaft und fördert die Offenheit für neue Denkansätze und Konzepte in der betrieblichen Praxis.

wirtschaft.at: Ist es schwierig Reparaturpartnerinnen und -partner zu finden?
Markus Piringer: In Wien gibt es das „Reparaturnetzwerk Wien“ und auch in Graz gibt es etwas Ähnliches. In den anderen Bundesländern – mit Ausnahme des Burgenlandes – gibt es zumindest einen Reparaturführer, das ist ein Online-Verzeichnis von Reparaturfirmen.

Um Mitglied im Wiener Reparaturnetzwerk zu werden, müssen bestimmte Kriterien erfüllt sein: Über 50% der Beschäftigten des Unternehmens müssen im Reparaturbereich tätig sein, um die Qualität und Spezialisierung sicherzustellen. Wir suchen explizit nach Reparaturspezialistinnen und -spezialisten, nicht nach Verkäuferinnen bzw. Verkäufern. Zusätzlich müssen die Unternehmen mindestens drei verschiedene Marken reparieren können. Wir streben nicht nach einer Partnerschaft mit exklusiven Kundendiensten einer einzelnen Marke, sondern bevorzugen Universalreparateure. Wenn diese Kriterien erfüllt sind, können Unternehmen Mitglied im Netzwerk werden, das aktiv Marketing sowohl für die Reparaturdienstleistungen als auch für die beteiligten Betriebe betreibt.

wirtschaft.at: Können Sie Beispiele für erfolgreiche Reparaturinitiativen in KMUs nennen?
Markus Piringer: Handwerksbetriebe könnten große Gewinner einer Kreislaufwirtschaft sein. Früher konnten diese sowohl Herstellung als auch Reparatur abdecken. Eine Rückkehr zu mehr Handwerk könnte die Reparierbarkeit verbessern. Die Langlebigkeit und Reparierbarkeit liegt ja eigentlich in den Genen des Handwerks und erst durch die industrielle Produktion ist die derzeitige „Wegwerfgesellschaft“ entstanden.

wirtschaft.at: Welche Rolle spielen digitale Technologien für KMUs im Reparaturbereich?
Markus Piringer: Digitale Produktionsprozesse, wie 3D-Druck, sind wichtig. Sie ermöglichen es zum Beispiel, Ersatzteile herzustellen, die nicht mehr verfügbar sind. Die Entwicklung steckt allerdings erst in den Kinderschuhen, da werden wir noch weitere Fortschritte sehen. Hier könnte man in Zukunft mit den Herstellerdaten für Einzelteile wirklich unkompliziert und vergleichsweise günstig Reparaturen durchführen. Allerdings erfordert das, wie vorher schon am Beispiel der USA diskutiert, den Zugang zu entsprechenden Daten.

wirtschaft.at: Vielen Dank für das Interview und die wertvollen Einblicke, Herr Piringer.


Weiterführende Links

www.reparaturführer.at

www.ifixit.at – Reparaturanleitungen

Ökobusiness

Reparaturnetzwerk

 

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